Freiberufler aktuell

Heute: „Nun raten Sie mal schön“

Der Klassiker: Am Freitagnachmittag ballen sich die reinkommenden Sprecheraufträge mit Dringlichkeitstermin. Das kann ich gut verstehen und auch gut damit umgehen, denn schließlich ist allgemein und damit natürlich auch mir bekannt: Freiberufler*innen haben kein Wochenende.

Was mich indes in vielen Fällen fuchsig macht: Im gelieferten Text sind gern Begriffe, die man sowohl deutsch als auch englisch aussprechen könnte. Oder putzige Firmennamen, die künstlich erzeugt und somit nicht selbsterklärend sind in punkto Betonung/Aussprache/Sprache. Agenturseitig heißt es dann gern: „Bei Fragen schreiben Sie mir gern oder rufen Sie an. Schönes Wochenende!“

Schicke ich dann eine e-mail, kommt keine Antwort. Rufe ich an, geht niemand ans Telefon.

Allerdings: Der Abgabetermin bleibt bei „wir bräuchten das unbedingt bis Montag früh“. Also füge ich mich in mein Schicksal und nehme zweifach auf. Deutsch und englisch. Da ich eines weiß: Besteht eine fifty-fifty-Chance, wähle ich garantiert die falschen fünfzig Prozent.

Es ist zum Haareraufen. Vor allem auch, wenn ich hinterher dann erfahre, dass der Fimenname/der Produktbegriff selbstverständlich französisch, spanisch, isländisch, chinesisch auszusprechen sei … mann, mann, mann, Du.

Fußnote: Natürlich nützt auch die ausgedehnte Recherche auf YouTube nur selten zur Entscheidungsfindung. Sollte tatsächlich jemand von der betreffenden Firma mal versehentlich den eigenen Firmennamen in den Mund nehmen, vernuschelt derjenige garantiert alles derart, dass ich nix verstehe. Oder verschiedene Personen des Unternehmens sprechen die Bezeichnung auch noch unterschiedlich aus. 🙄🥴

Expeditionen in den Großstadtdschungel

An der Freiberuflerfront: Präzise Auftraggeber

„Herr Hacker, wir benötigen mal wieder Ihre stimmlichen Fähigkeiten.“
„Sehr gern.“
„Wie Sie sich ja sicherlich erinnern, haben Sie vor vier Jahren einen Werbespot für unsere Software eingesprochen. Dort haben Sie die Wörter „und“, „auch“ sowie „zudem“ so schön betont. Genau das brauchen wir wieder.“
„Ok …“
„Allerdings sollte das „und“ mehr wie im Auftrag von vor sechs Jahren klingen.“
„Äh …“
„Ja, und die Wörter „auch“ und „zudem“ so wie in dem E-Learning-Projekt von vor drei Jahren. Geht das?“
„Nun, in diesem Fall möchte ich Ihnen lieber eine Regie-Schalte anbieten.“
„Nein, nein, das ist bestimmt nicht nötig, damals hat das doch auch geklappt, als ich Sie bat, in die Wörter „hier“ und „umgehend“ mehr, äh, Blau reinzubringen.“
„Nun … ich möchte Ihnen wirklich dringend die Regie-Schalte ans Herz legen.“
„Sie müssen doch lediglich noch einmal in die alten Aufnahmen reinhören. Dann wird das deckungsgleich.“
„Ihnen ist schon klar, dass sich Stimmen im Laufe der Zeit durchaus verändern, oder?“
„Das glaube ich nicht. Sie machen das schon.“
„Ich ahne bereits, das werden ungefähr zehn Durchläufe …“
„Wie meinen Sie?“
„Ach, nichts. Alles gut.“
„Schaffen Sie das in der nächsten Stunde?“
„Du liebe Güte.“
„Wie?“
„Nix. Alles fein. Ganz normaler Freiberufleralltag.“
„Ach, und könnten Sie bitte die Wörter „auch“ und „zudem“ so leicht englisch anhauchen? Nur ganz leicht?“
„Herrje, wo habe ich nur wieder meine Toffees hingelegt.“
„Bitte?“
„Nichts. Alles gut.“

Home-Officer since 2004

Vorteil: Ich sitze seit 16 Jahren in meinem Home-Office – wahlweise vor dem PC (Büro/Wohnraum-Kombi), dem Notebook (Balkonbüro) oder dem Mikrofon (Wohn-/Aufnahmeraum-Kombi). Nun gut, ich habe im Gegensatz zu den vielen Menschen im öffentlichen Dienst, in den Warenlagern und an den Supermarktkassen, die unsere Welt aktuell am Laufen halten und dabei den Kontakt mit anderen kaum vermeiden können, das Glück, meinen Lebensunterhalt größtenteils (noch) digital zu verdienen.

Nachteil: Ich schaue derzeit noch häufiger ins Facebook hinein und muss feststellen, die Anzahl der Aluhut-Beiträge mit „gefühlten“ Wahrheiten anstelle faktenbasierten Wissens steigt scheinbar äquivalent zur Menge der weltweit Infizierten.

Folge: Bezüglich der menschlichen Fähigkeit zur Vernunft mutiert meine freundliche Ironie immer weiter in Richtung selbstschützenden Sarkasmus. Gesund ist das nicht, wie ich befürchte. Sollte ich vielleicht über das Tragen einer blickdichten Schutzbrille vor den Monitoren nachdenken?

Kundenwünsche aktuell

„Vielen Dank für die Zusendung des Objektfotos. Sie haben das Gebäude wirklich toll eingefangen. Aber eine Bitte: Könnten Sie den SUV vorm Haus noch wegretuschieren? Ich weiß, ich wollte den unbedingt drauf haben, aber der verdeckt jetzt doch den schönen Eingang.“
„Soll ich das Türportal dann hineinmalen?“
„Das verstehe ich jetzt nicht.“
„Nun, ich auch nicht …“
„Ach ja, und schicken Sie mir bitte das Bild als Docx-Format – das TIFF und das JPEG sind etwas zu groß.“
„Alles klar, ich verfasse dann in dem Word-Dokument einfach eine ausführliche Bildbeschreibung, statt des Fotos. Ok?“
„Ich fürchte, ich verstehe Sie schon wieder nicht.“
„Tja, ich auch nicht wirklich …“

Es bleibt schwierig …

Wie damals beim WNP-Pressedienst, der Agentur, der ich als Redakteur diente, als der Inhaber vor tausenden ausgedruckter Seiten stand und meinte: „Sehr schön, wirklich sehr schön – aber könnten wir die Headline noch etwas größer machen?“
„Gern. Hier haben Sie einen Edding. Streichen Sie sie einfach durch und malen Sie sie in gewünschter Größe neu drauf ..“
„Ich verstehe Sie nicht …“
„Macht nichts. Ich verstehe das auch nicht …“ 🤓