*Ding-Dong* – die Post ist da. Der DHL-Bote, ein sportlicher, dynamischer Bursche, wirft mir aus vier Metern Entfernung das Paket zu. Der mittelgroße Pappquader segelt in einer vorbildlichen ballistischen Kurve durch die Treppenhausluft, ich spreize die Finger, bilde einen Trichter, die Daumen zeigen in einem 45°-Winkel zueinander. Kaum ist der Kontakt zum Karton hergestellt, ziehe ich die Hände mit der Wurfsendung zum Körper, sichere sie. Übung geglückt. Zum Glück habe ich in meiner Jugend mal Handball gespielt. Die Sporteinheit des Tages ist erledigt.
Es gibt ja auch Lichtblicke, die sich, wie ich hoffe, längerfristig
durchsetzen. So etwa rücken einem Kinder-Messis (Großfamilien im
biblischen Reproduktionswahn mit mehr als zwei Ablegern und dem
päpstlichen Auftrag, entschlossen zur endgültigen
Überbevölkerungsexplosion beizutragen) und selbst die sturen
Nahdistanz-Senioren an der Supermarktkasse nicht mehr so arg zu Leibe.
Nun ja, zumindest teilweise – dem Rest erläutert die freundliche
Securityfachkraft, dass der von ihnen üblicherweise gewählte Abstand zum
vor ihnen wartenden Kunden von etwa 5,8 Zentimetern derzeit nicht
erwünscht ist. Vielleicht bleibt das ja so für die Zukunft. Würde ich
sehr begrüßen. 🙂
Was ich weniger begrüße: Manche meiner offen getragenen Körperteile
neigen derzeit zum leichtfertigen Schabernack. Meine Nase zum Beispiel
meldet sich zuverlässig jedes Mal mit hartnäckigem Jucken, sobald ich
das Haus verlasse; will mich penetrant zum Gesichtskratzen verführen.
Ist ihr nicht klar, dass sie ebenfalls untergeht, sollte ich der Seuche
zum Opfer fallen? Kultiviert sie eine bisher unauffällige, konzertante
Abneigung mit meinen Ohren und Augen gegen mich? Hat sie einen
unbändigen Freiheitswahn, der sie ihre eigene Existenz aufs Spiel setzen
lässt? Ich bin ratlos … 🤔
Vorteil: Ich sitze seit 16 Jahren in meinem Home-Office – wahlweise vor
dem PC (Büro/Wohnraum-Kombi), dem Notebook (Balkonbüro) oder dem
Mikrofon (Wohn-/Aufnahmeraum-Kombi). Nun gut, ich habe im Gegensatz zu
den vielen Menschen im öffentlichen Dienst, in den Warenlagern und an
den Supermarktkassen, die unsere Welt aktuell am Laufen halten und dabei
den Kontakt mit anderen kaum vermeiden können, das Glück, meinen
Lebensunterhalt größtenteils (noch) digital zu verdienen.
Nachteil: Ich schaue derzeit noch häufiger ins Facebook hinein und muss
feststellen, die Anzahl der Aluhut-Beiträge mit „gefühlten“ Wahrheiten
anstelle faktenbasierten Wissens steigt scheinbar äquivalent zur Menge
der weltweit Infizierten.
Folge: Bezüglich der menschlichen Fähigkeit zur Vernunft mutiert meine freundliche Ironie immer weiter in Richtung selbstschützenden Sarkasmus. Gesund ist das nicht, wie ich befürchte. Sollte ich vielleicht über das Tragen einer blickdichten Schutzbrille vor den Monitoren nachdenken?